Sei mein, Frosch!
Liebesmärchen und lüsterne Lieder
Kaum jemand wird mit dem Märchen knisternde Erotik assoziieren. Schnurren und Stöhnen zwischen nicht mehr ganz blütenweißen Laken, brüllende Triebkraft, die den Verstand vernebelt und Liebessehnsucht in Todesschmerz verwandelt, wird Sinnlichkeit vermuten, Grausamkeit, Abgründe, Fäulnis, Verderben. Das liegt daran, dass jeder erst einmal an die vom 19. Jahrhundert arg geknebelten Märchenbrüder denkt, kaum aber einer beispielsweise an Shakespeares saftige Märchendramen, in denen das (Herz-)Blut nur so spritzt.
"Ich bin, wie ich bin", sagt Marieluise Ritters erotisches Märchen, das als Bühnengestalt leibhaftig in Erscheinung tritt, "bin wie die Liebe selber: himmlisch, animalisch, grausam, schön und gemein. Unter meinen sündigen Schleiern werdet ihr die Reinheit eurer Gefühle wiederfinden und hinter meinem frommen Kindergesicht eure Schatten."
Das Publikum erfährt, dass Märchen keineswegs weltfremd und keimfrei sind, dass Leben und Liebe sich hier nicht in romantisch-idealistischen Projektionen und Rollenklischees bewegen, sondern sich höchst lebendig zur Lust und zum Spott der Beteiligten in der Welt herumwälzen.